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«Wir leisten die Basisarbeit für eHealth in der Schweiz»

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens nimmt langsam Fahrt auf. Dr. Garif Yalak, Head of Digital Transformation bei Cisco Schweiz, spricht im Interview über die Zukunft von eHealth, die Hürden auf dem Weg dorthin – und über die Möglichkeiten, die Leistungserbringer schon heute haben.

Garif Yalak, die Digitalisierung erfasst auch das Gesundheitswesen. Wie sieht die Gesundheitsversorgung der Zukunft aus?

Garif Yalak: Eine treffende Prognose abzugeben, ist schwierig. Aber es gibt Technologien, die in unterschiedlichen Branchen stark diskutiert werden und deren Einsatz auch im Gesundheitssektor denkbar wäre.

Welche wären das?

Technologien wie Webex Hologram revolutionieren die Art und Weise, wie virtuelle Meetings abgehalten werden. Mit Augmented-Reality-Brillen könnten Daten visuell als Hologramme aufbereitet und diskutiert werden. Oft ist hier von der «Sprechstunde 2.0» die Rede: Ärzte hätten die Möglichkeit, ihre Patienten komplett virtuell abzubilden – Stichwort digitaler Zwilling – und Testergebnisse direkt im Modell anschaulich zu erklären. Dies würde die Qualität von Sprechstunden erheblich verbessern, denn heutige medizinische Laborberichte und Testresultate sind für Laien meist sehr theoretisch und nur schwer verständlich. Auch in der Psychotherapie könnten Augmented und Virtual Reality Mehrwert schaffen.

Inwiefern?

Zum Beispiel zur Behandlung von Angststörungen. Wer unter Höhenangst leidet, wird niemals den realen Eiffelturm hochfahren. Mit VR-Brillen könnten grosse Höhen virtuell simuliert und Patienten schrittweise daran herangeführt werden. Zu Ende gedacht, kämen wir beim Metaverse an – einer riesigen, virtuell begehbaren Parallelwelt, in deren Umsetzung die Tech-Branche bereits Unmengen an Summen investiert. Das Metaverse würde auch viele Möglichkeiten für Leistungserbringern und Patienten bieten – von der virtuellen Beratung über Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten bis zur Simulation komplizierter Operationen.

Sie geben hier einen Blick in eine doch sehr weit entfernte Zukunft. Nur schon das elektronische Patientendossier oder die Telemedizin stellen Meilensteine im Bereich eHealth dar.

Für die Schweiz stimmt das leider. Andere Länder sind uns hier voraus. In Estland wird das elektronische Patientendossier bereits seit 2007 landesweit eingesetzt. Auch ist die Telemedizin in vielen Länder bereits etabliert. Heute sind wir noch weit von solchen Technologien wie dem Metaverse entfernt. Dennoch führen Webex Holograms und das Metaverse einen Trend weiter, der sich bereits in der Medizin abzeichnet: eine noch effizientere und dezentralisiertere Gesundheitsfürsorge. Gerade die Telemedizin ist ein hervorragendes Beispiel dafür: Womöglich musste jeder von uns schon mal wegen kleinerer medizinischer Abklärungen grössere Reisewege auf sich nehmen. Die Telemedizin steuert dem entgegen – genauso wie Virtual Reality und das Metaverse.

Dr. sc. ETH Garif Yalak | Head of Digital Transformation Healthcare, Education & Governance

Dr. Garif Yalak leitet die Digitalisierungs- und Innovationsinitiative für die Bereiche Gesundheitswesen, Bildung und Governance bei Cisco Schweiz. Er hat einen B. Sc. in Bioinformatik, einen M. Sc. in Biomedizin aus Deutschland und einen Ph. D. der ETH Zürich in beiden Disziplinen.

Zuvor war er über 10 Jahre als Bioinformatiker und Biomediziner in der Gesundheitsforschung in Deutschland, den USA und der Schweiz tätig. Zudem wirkte er mehrere Jahre als Wissenschaftler und Dozent an der ETH Zürich und der Harvard Universität in der Gesundheitsforschung.

Zurzeit fokussiert er sich in seinem Executive MBA an der Universität St. Gallen auf die Chancen und Risiken des Metaverse.

Wo steht die Schweiz momentan in der Digitalisierung des Gesundheitswesens?

Im europaweiten Vergleich rangiert die Schweiz nach wie vor auf einem der hintersten Plätze. Die Bertelmanns Stiftung hat im November 2018 einen Digital-Health-Index  entwickelt und den digitalen Entwicklungsstand des Gesundheitswesens von 17 Ländern analysiert. Dabei kommt die Schweiz auf Platz 14 nicht gut weg. Bei der Datennutzug im Gesundheitswesen fällt die Schweiz sogar weiter ab auf Platz 16. 

Woran liegt das?

Insgesamt ist es durch die föderalen Strukturen immer noch eine grosse Herausforderung, eine gemeinsame Strategie zu entwickeln. Das Rad wird immer wieder kantonal neu erfunden. Eine einheitliche und koordinierte nationale Strategie wäre nötig. Auch Bedenken bezüglich Datensicherheit bremsen die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Dass technologisch eine sichere Lösung möglich ist, zeigt das in Estland seit 15 Jahren aktive System fürs elektronische Patientendossier. Hier könnte Cisco mit seinem Partnerökosystem helfen. Wir müssen aufpassen, dass wir im internationalen Vergleich nicht ins Hintertreffen geraten. Vor allem die in der Schweiz fehlenden regulatorischen Rahmenbedingungen erschweren hier Fortschritte in der Digitalisierung

Wird dieses Problem bereits adressiert?

Zumindest teilweise. Letztes Jahr wurde etwa eine Motion zum Aufbau einer Taskforce eingereicht, um die Digitalisierung des Gesundheitswesens auf nationaler Ebene zu steuern. Aus Sicht des Bundesrats ist dies in der geforderten Form aber nicht umsetzbar. Ein solches Organ, in dem alle Stakeholder an einem Tisch zusammensitzen und das Thema eHealth in der Schweiz diskutieren, halte ich für sehr wertvoll.

Sind Spitälern also die Hände gebunden, bis es so weit ist?

Keineswegs. Zum einen gibt es parlamentarische Vorstösse, welche die digitale Transformation des Gesundheitswesens vorantreiben. Zum anderen sind die Möglichkeiten von eHealth bereits sichtbar. Manche Leistungserbringer wie das Felix Platter Spital oder das Universitätsspital Basel haben mit der Unterstützung von ITRIS und Cisco bereits entsprechende Projekte umgesetzt oder sind gerade dabei, sie umzusetzen. Immer mehr Spitäler lancieren eigene Apps mit Fitness-Übungen oder Ernährungstipps. Das zeigt: Schon heute ist Digitalisierung im Schweizer Gesundheitswesen möglich – solange die Grundlagen dazu geschaffen werden.

Was können Leistungserbringer dafür tun?

Jede IT-Lösung benötigt als Fundament ein hochverfügbares, performantes, skalierbares und vor allem sicheres Netzwerk. Cisco leistet mit seinen Netzwerk-, Collaboration- und Security-Lösungen – wie auch mit ITRIS und anderen strategischen Partnern – die Basisarbeit für eHealth in der Schweiz.

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